12/19/2006

Der Autor Joachim Kortner

Joachim Kortner wurde 1939 in Oppeln/Oberschlesien (heutiges Opole) geboren. Als Fünfjähriger erlebt er die Flucht vor der herannahenden Ostfront, die ihn und seine Familie in der scheinbaren Idylle eines brandenburgischen Dorfes überrollt. Im Jahr der Berlinblockade 1948 gelingt der Mutter mit den Söhnen die lebensgefährliche Flucht aus der russisch besetzten Zone mit einem Fluchthelfer in "den Westen". Nach dem Abitur in Coburg folgten Studium und pädagogische Berufstätigkeit.

Interviews




















Gespräch mit dem Autor

Frage:
Mamas rosa Schlüpfer- ein etwas seltsamer Titel für einen Roman-müssen Sie doch zugeben, oder?

Kortner:
Das stimmt. Mir wurde sofort, von vielen Seiten, sogar von meinem Lektor, davon abgeraten: "So ein Buch verkauft sich nicht. Das ist irgendwie missverständlich..."
Ich hatte auch schon zwei alternative Titel. Trotzdem bin ich zu Mamas rosa Schlüpfer zurückgekehrt.

Frage:
Warum?

Kortner:
Das war mehr so ein Instinkt. Die anderen Titel kamen mehr aus dem Verstand. Für uns vier Jungen waren diese rosa Liebestöter ein Symbol für alles Weibliche und Mütterliche. Unsere Mutter hat uns durch den Wahnsinn des 2. Weltkriegs geführt und gerettet.

Frage:
Und Ihrer Mutter wollen Sie wohl mit dem Roman ein Denkmal setzen?

Kortner:
Denkmal nicht. Aber ich will Ihr die Ehre geben, die sie verdient. So würde ich es sagen. Und den Menschen von heute will ich sagen, wie der Krieg und die Nachkriegszeit aus der Perspektive eines Kindes erlebt wurden.

Frage:
Ihr Roman hat den Untertitel Roman in Episoden. Was genau soll das bedeuten?

Kortner:
Im klassischen Roman läuft eine Haupthandlung, von der sich immer wieder Nebenhandlungen abzweigen, um dann wieder zur Haupthandlung zurück zu kehren. Ein Kind erlebt sein Schicksal nicht so, sondern als eine Ansammlung von chaotischen Einzelerlebnissen, die es erst mit zunehmenden Alter zu einem Mosaikbild zusammensetzen kann.




















Interview:
Cocoa sprach mit dem Autoren Joachim Kortner
www.cocoa.de

Also sein Buch "Mamas rosa Schlüpfer" hat uns einfach nicht mehr losgelassen. Inzwischen haben wir das Buch schon gelesen und es fesselt tatsächlich ungemein! So wollten wir mehr wissen von Joachim Kortner und trafen ihn in Coburg.

Cocoa:
Ihr Romantitel ist ja schon etwas gewöhnungsbedürftig. Haben Sie nicht daran gedacht, dass davon Leser abgeschreckt werden könnten?
J. Kortner:
Ich bin von verschiedenen Seiten gewarnt worden: Der Titel kann falsch verstanden werden! Sowas liest doch keiner! Das verkauft sich schlecht! So waren die Meinungen.

Cocoa:
Gab es da schon alternative Titel?
J. Kortner:
Die gab es. Die lasen sich sogar smarter und marktgerechter. Ich konnte damit aber nicht warm werden, bin wieder zu meinem „unverkäuflichen“ Titel zurückgekehrt.

Cocoa:
Was hätte denn Ihre Mutter zu diesem Romantitel gesagt?
J. Kortner:
Die Mama? Die hätte laut gelacht. Und dann hätte sie gesagt: Du bist verrückt! Ihre rosa Riesenschlüpfer, die man weit übers Knie ziehen konnte. Die haben mich und meine drei Brüder begleitet, so lang ich denken kann. Als fünfjähriger Zwerg war es mir z. B. peinlich, dass die deutschen Soldaten ihr unter den Rock schauen konnten, als sie die Mama durch das Zugfenster in den vollgepfropften Fluchtzug gequetscht haben. Bretthart gefroren schaukelten sie später im Winterwind auf der Wäscheleine. Dieses Rosa, das war einfach die Mama.

Cocoa:
Und wie kommt ein Joachim Kortner dazu, so einen Roman zu schreiben?
J. Kortner:
Die Mauer war 1989 gefallen. Die DDR-Grenze war Geschichte. Ich bin damals in dieses winzige Dorf in der Niederlausitz gefahren, in dem wir Kinder den Einmarsch der Russen und mehr erlebt hatten. Eine uralte Frau konnte sich noch an meine Mutter erinnern, sagte nur: Das war ein guter Mensch. Über wen sagt man denn heutzutage noch so einen Satz? Eine der undekorierten Heldinnen war sie. Ohne Tapferkeitsorden oder Bundesverdienstkreuz.

Cocoa:
Wenn der Roman „Mamas rosa Schlüpfer“ einen Untertitel hätte, wie würde der dann heißen?
J. Kortner:
Ohne lange nachzudenken würde ich sagen: Mit 5 in den Krieg.

Cocoa:
Spielt denn die Stadt Coburg im Roman auch eine Rolle?
J. Kortner:
Coburg ist das Traumziel, der Wunschtraum der Freiheit, den die Mama unter Lebensgefahr für uns und sich verwirklichen wollte.

Cocoa:
Warum sollte man den Roman denn überhaupt lesen?
J. Kortner:
Die Frage ist mir etwas peinlich, denn jeder Koch lobt seine Suppe, sagt man. Aber das Besondere an meinem Roman ist, dass ich den Leser erleben lasse, wie der Krieg aus der Erlebnisperspektive eines fünfjährigen Jungen erfahren wird. Aber am besten ist es doch, wenn man sich die Auszüge aus den verschiedensten Pressekritiken durchliest, unter anderem auch aus der Neuen Presse Coburg.

Inhalt/Kritiken

Liebeserklärung an eine Mutter
" SIE WAR UNSERE HELDIN ", schreibt Joachim Kortner in seiner Vorbemerkung und meint seine Mutter Hedwig, eine Frau mit Lebensmut und Konsequenz. Der Autor lässt seine aufregende Kindheit so atmoshärisch dicht und zugleich facettenreich in allen Farben wiederaufleben, dass man als Leser fast schon Sehnsucht danach verspürt, nach diesen Abenteuern einer jungen Seele mitten im Krieg und kurz danach. Selten begegnet man in veröffentlichten Erinnerungen an die "schlimme Zeit" einer solch poetischen, dabei kraftvollen, ja frechen Weltbetrachtung. Der kleine Junge(Joachim) mit Spitznamen Mill sieht alles und versteht wenig, nur dass er seiner Mutter zusammen mit den Geschwistern wieder und wieder folgen muss. Und ohne es zu wissen, bleibt sie immer auch die Schutzbefohlene ihres Jüngsten....

Vor dem Hintergrund der heutigen "MAINSTREAM-Kindheit" mit allgegenwärtigem PC und "Play-Station" blickt man fast ein wenig wehmütig zurück in diese reiche, sinnlich erfüllte Kinderwelt voller Liebe. Und damals war Krieg!


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Dieser Fünfjährige ist ein Muttersöhnchen. Vom Kuchenteig für Papas Frontpäckchen darf er schlecken, sich auf Schaukel und Schaukelpferd vergnügen. Auf Heimaturlaub erzählt der Vater von Partisanen. Und dass die an Telegrafenmasten baumeln müssen, einer wie der andere. Das Morden an der Ostfront erlebt der Knirps als „Gewitterkucken“ am abendlichen Horizont.
Noch steckt der älteste Bruder auf der Landkarte den Frontverlauf mit Hakenkreuzfähnchen ab, sammelt Unterschriften seiner Kriegshelden und Bombensplitter als Andenken. Doch das Unheil bricht herein. Die Mutter flieht mit ihren vier Jungen vor der Ostfront. Das Ziel, ein idyllisch geglaubtes Dörfchen in Brandenburg, ist selbst schon Kampfzone geworden. Der Junge weiß nicht und fragt nicht, warum diese fremden Soldaten in sein Land gekommen sind. Sie haben wunderschöne Lieder, beschenken ihn. Rauben und vergewaltigen aber auch. Er sieht alles und versteht nichts... Sehr lesenswert!


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Leserurteile:
authentisch / glaubwürdig / atmosphärisch dicht / sollte Pflichtlektüre für alle Schularten werden / ist selten eine solch poetische, ja freche Weltbetrachtung zu finden.


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Diese kleinen, heute fast unglaublichen Geschichten - der Autor hat sie als fünfjähriger Zwerg wirklich erlebt. Bewundernswert ist die enorme literarische Qualität. Das alles ist einfach gut erzählt. Man wird nicht nur sofort von den Episoden und Geschichten gefangen genommen – sie sind realistisch, klar und lakonisch; auch die Wahrnehmung der Welt durch die Augen des Jungen funktioniert wunderbar. Denn die Schocks, die er erlebt – es sind eigentlich permanente Schocks – werden ja nicht als solche beschrieben, eher nur ihre Äußerlichkeit: Der Untergang der Moccatasse, seines größten Schatzes; oder ein sitzender toter Mann hinter dem Bahnhof. Den Rest, die innere Wirkung, imaginiert man. Deswegen liest man weiter, es entsteht ein förmlicher Sog. Der Text macht das Erleben des Jungen erfahrbar, ohne seine Perspektive zu simulieren (und dabei verlogen und im schlechten Sinn „pädagogisch“ zu werden). Das Buch erzählt auf diese Art nicht nur von einer „unheroischen“ Zeit, in der man aber eine Menge Mut und Entschiedenheit und Lebenswillen brauchte; es erzählt auch sehr viel von Gefühlen – vom Entstehen von Gefühlen - , ohne jemals sentimental zu sein. Dafür ist es viel zu rau und klar; und dafür ist es viel zu komisch.

München, 12. XII. 2006
Dr. Michael Ott
Department für Germanistik und vergleichende Sprachwissenschaft
Ludwig-Maximilians-Universität
München


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„Bewundernswert ist die enorme literarische Qualität...
...realistisch und lakonisch...
...entsteht ein förmlicher Sog zum Lesen...
...rau und klar...“

Dr. Michael Ott / Department für Germanistik und
vergleichende Sprachwissenschaft an der Ludwig-
Maximilians-Universität München 12.12.2006.


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„Da bekommt das Unheimliche etwas Selbstverständliches... spannend bis zur letzten Seite...gefesseltes und stark bewegtes Publikum bei der Autorenlesung...“

Fränkischer Tag 13.01.07


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„Eine Stecknadel hätte man bei der Lesung fallen hören...hochinteressanter und spannender Lesestoff...“

Nordbayerische Nachrichten 22.01.07


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„...Was das Buch reizvoll macht und von der Masse der Erinnerungsliteratur unterscheidet, ist: Der Autor berichtet aus der Perspektive des kleinen Jungen, der er damals war...frisch, prägnant und atmosphärisch dicht...ein hohes Maß an Unmittelbarkeit...ein Stück Geschichte, so wie kleine Leute Geschichte erleben...“

Neue Presse Coburg 30.01.07


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Großwerden in Zeiten des Krieges

Romane über den Zweiten Weltkrieg sind schon viele geschrieben worden. Wenige von ihnen sind aber so authentisch und berührend wie der Roman „Mamas rosa Schlüpfer“ von Joachim Kortner (Verlag BoD Norderstedt).
„Mill“ ist der Kleinste von vier Brüdern. Dem grausamen Krieg gegenüber ist er so ahnungslos, wie alle Kinder. Diese Ahnungslosigkeit kann ein Glücksfall sein, denn oft erlebt das Nesthäkchen Flucht, Hunger und Bombenalarm wie unglaubliche Abenteuer. Aber Kortner schildert auch das Traumatisierende, das Unfassbare eines Krieges. Wie kann Mill diesen kleinen Jungen vergessen, der nach dem Spiel mit einer Granate elendig verblutet? Wie soll sein unbescholtener Verstand den Anblick einer Männerleiche verarbeiten? Und was kann man mit einem Vater anfangen, der nach jahrelanger Abwesenheit plötzlich wieder da ist und vollkommenen Respekt und Zuneigung einfordert?
Moral und erklärende Distanz sind Elemente, die in „Mamas rosa Schlüpfer“ wegfallen. Gerade das macht dieses Werk zu solch einem unmittelbaren Leseerlebnis. Wir ahnen, wie Mill sich fühlt, wenn die Bomben fallen und wir verstehen, warum er solche Angst vor den Russen hat. Das alles verdankt der Leser der Erzählkunst Joachim Kortners, der der Gefahr, eine weitere banale Kriegsgeschichte zu schreiben, entgeht, und Neues präsentiert.
Es ist die Mischung aus der Schilderung von Kriegsgräueln und alltäglichen Episoden, die „Mamas rosa Schlüpfer“ so wahrhaftig werden lassen. Denn trotz Hitler und kämpfender Soldaten ist der kleine Mill mit Stationen seiner Entwicklung konfrontiert, die jeder seiner Altersgenossen, auch heute noch, durchläuft. Wenn er seine älteren Brüder bewundert, heimlich für Christa Lüdeke schwärmt und sich schämt, wenn die russischen Soldaten Mamas rosa Schlüpfer auf der Wäscheleine sehen, dann spielt der Krieg keine Rolle mehr. Dann ist Mill ein ganz normaler Junge auf dem Weg Richtung Erwachsenwerden. Und dass er das sein darf, verdankt er seiner Mutter, die, undramatisch und meist unbemerkt, am Rande des Möglichen agiert und kämpft und arbeitet, um ihre Söhne groß werden zu sehen.

Rezension v. Murielle Rousseau April 2007


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„Das ist ein ganz, ganz wichtiges Buch. Ich kenne kein Buch, in dem diese Zeit so genau, ehrlich und stimmig beschrieben ist..... Großes Kompliment!“

Diethard Klante – deutscher Film- und Fernsehregisseur 17.05.07

Presse

"Mamas rosa Schlüpfer" wurde inzwischen aufgenommen in das zeitgeschichtliche Kempowski-Archiv und wird in der Liste der Friedrich-Bödeker-Stiftung Landesverband Bayern (Förderung der Lesekultur) unter der Rubrik Nationalsozialismus - 2. Weltkrieg geführt.


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© NORDBAYERISCHE NACHRICHTEN, FORCHHEIM, EBERMANNSTADT

Vergangenheit aufgearbeitet
Joachim Kortner las aus Roman: «Mamas rosa Schlüpfer»

EBERMANNSTADT (hv) - Fast 60 Zuhörer kamen in die Stadtbücherei St. Nikolaus, um Joachim Kortner, langjähriger Lehrer an der Volksschule, aus seinem Erstlingswerk, dem autobiografischen Roman «Mamas rosa Schlüpfer» lesen zu hören.

Bürgermeister Franz Josef Kraus zeigte sich erfreut über den guten Besuch, aber auch über die Tatsache, in Ebermannstadt einen weiteren Schriftsteller zu haben. Der 1939 in Oppeln geborene Autor beginnt seine Erzählung mit dem allmählichen Zusammenbruch der Ostfront, der Flucht gen Westen vor den herannahenden Russen über viele Stationen bis 1948 letztendlich in Coburg eine neue Heimat gefunden war.

Eine Stecknadel hätte man fallen hören, so still war es im Raum während der Autorenlesung. Dies lag zu einem an der Tatsache, dass Joachim Kortner samt seiner Familie, Nachbarn und weiteren Bekannten mit ihren richtigen Namen die Romanfiguren darstellten, aber auch an der spürbaren inneren Aufgewühltheit des Autoren. Seine Mutter heißt im Buch wie im richtigen Leben Hedwig und auch der Autor selbst taucht mit seinem damaligen Spitznamen Mill auf, ebenso seine Brüder, Spielkameraden und Freunde.

So war jedem im Raum deutlich bewusst, dass bei den vielen Abenteuern - ob kindlicher, lebensgefährlicher, abenteuerlicher oder kriegs- und fluchtbedingter Natur - immer historische Ereignisse und realistische Frauen und Männer beschrieben werden. Und genau dies war es, was Autor und Publikum stark bewegte und letzteres auch fesselte.

Aus der Sicht des Kindes

Über den Inhalt sei nur so viel verraten, dass Kortner aus der Sicht seines damaligen Alters schreibt. Manch Ungeheuerliches wird ohne sprachliche Aufgeregtheit erzählt, normal kindlich mit den emotionalen Empfindungen eines fünf- bis neunjährigen Buben. So ist auch der Titel «Mamas rosa Schlüpfer» entstanden: Als ebenfalls flüchtende Männer und Soldaten seine Mutter durchs Fenster ins Innere eines Eisenbahnwaggons hineinheben, ist kurz ihr knielanger rosa Schlüpfer zu sehen, das empfand der Junge damals als große Schande.

Für alle, die diese Zeit erlebt haben, aber auch für nachfolgende Generationen, ist dieses Buch sicherlich hochinteressant und ein spannender (und auch aufklärender) Lesestoff.

Erschienen ist der Roman «Mamas rosa Schlüpfer» bei «Books on Demand Norderstedt», 276 Seiten und kostet 17,80 Euro.

Artikel in Nordbayrische Nachrichten


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© Fränkischer Tag 2007

Die Toten zu sehen, war nicht nur eine Sache der Erwachsenen
ROMAN In lockeren Episoden erzählt der in Ebermannstadt lebende Autor Joachim Kortner vom Krieg und von der Flucht.

VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED EKKEHARD ROEPERT

Ebermannstadt - Joachim Kortner wird in Oppeln geboren; im selben Jahr, als die Deutschen den Zweiten Weltkrieg beginnen. Seinen Vater erlebt er hauptsächlich während des Fronturlaubs. Mit seiner Mutter und den drei Brüdern flieht der Junge vor der nahenden Roten Armee. In einem idyllischen Ort in Brandenburg scheint die Familie ein sicheres Fluchtziel erreicht zu haben, doch auch die Idylle wird zur Kampfzone. 1948 gelingt es der Familie dank eines Fluchthelfers, aus der russisch besetzen Zone zu entkommen.

60 Jahre später blickt der seit 1969 in Ebermannstadt lebende Joachim Kortner auf jene Zeit zurück. Er erzählt keine zusammenhängende Geschichte, sondern versucht ein persönliches Stück deutsche Geschichte in Episoden zu verdichten. „Mamas rosa Schlüpfer“ heißt sein Roman der Kriegs- und Nachkriegszeit.

Geprägt sind die Erlebnisse von der Sichtweise des kleinen Joachim. Diese Erzählperspektive hält der Autor nicht durchgängig aufrecht. Doch wo sie gelingt, verzichtet er weitgehend auf das Analysieren und Verstehen wollen. Hält fest ohne zu bewerten. Da bekommt das Unheimliche etwas Selbstverständliches, etwa das Sammeln von Bomben-Splittern; in jener Zeit ein ganz gewöhnliches Hobby.

Unheil verkündendes Leuchten

Und wenn die Mutter in der Küche mal nichts zu tun hat, kommt eine beinahe schon behagliche Stimmung auf, wenn die Brüder, auf Sofakissen gestützt, auf das Fensterbrett gelehnt, die schweren Artillerieeinschläge am östlichen Abendhorizont wie ein spannendes Naturereignis beobachten. Freilich wissen sie, dass „das Unheil verkündende Wetterleuchten“ kein Gewitter ist.

„Darüber sprachen sie aber nie“, heißt es. Hinter dem lakonischen Ton lässt der Autor erahnen, was der Krieg für die Kinder bedeutet haben muss. Und gelegentlich mischt sich eine erwachsene Erzählstimme in die Episoden Kortners und bestätigt diese Ahnung: „Die Kinder merkten wohl, dass die Zeit einen Knacks gekriegt hatte.“

Als die Brüder nach einem russischen Bombenangriff durchs Dorf streifen und einen Toten entdecken, einigen sie sich darauf: „Der Mama sagn wir aber nich, dass wir ein Totn gesehn ham.“

Joachim Kortner erzählt so, „als ob eigentlich nur Erwachsene die Toten sehen durften.“ Aus dieser Spannung zwischen dem Wunsch, den Schrecken von den Kindern fern zu halten, und der Unmöglichkeit dieses Wunsches, entsteht dieses Erinnerungsbuch. Während sich für die meisten Menschen „das Gehörte und Befürchtete zu einem grauenhaften Schreckbild“ verklebte, macht der kindliche Beobachter grausame Entdeckungen. Wenn er etwa mit ansieht, wie ein Zehnjähriger Freund mit Leuchtspurgeschossen herumspielt und Opfer einer Explosion wird, und wie ihm zwischen den Resten der zerfetzten Hände „blutige Därme hervor quellen“.

Mit seinem unbekümmerten Erzählton gewinnt Kortner Abstand von solchen Eindrücken, um sie überhaupt erst schildern zu können. Zugleich macht er glaubhaft, dass sich in den düsteren und spannungsreichen Kriegsjahren immer auch das Gefühl der Normalität breit machen konnte, manchmal auch Lebensfreude.

„Verschweigezwang“

Doch gerade in der Nachkriegszeit will sich das Gefühl für Normalität nicht einstellen. „Verschweigezwang und Versteckensangst“ lassen sich nicht abschütteln in einer Familie, die ihre Flucht aus der Ostzone plant. Und so bleibt Kortners Episoden-Roman spannend bis zur letzten Seite; bis zum erlösenden Ausruf der Mutter: „Wir sind im Westen!“


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Artikel in "Die Rundschau".
Unabhängige Wochenzeitung der Rußlanddeutschen
Artikel Die Rundschau


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© COCOA
www.cocoa.de

COBURG (re) Joachim Kortner - in Coburg aufgewachsen (Raststraße 11 / Pilgramsroth 86) - in Coburg Abitur (Albertinum) -
macht mit diesem Aufsehen erregenden Roman von sich reden. Aber Vorsicht! Das Buch, er nennt es Roman in Episoden, legt man so schnell nicht wieder aus der Hand. Es soll nicht nur hier in Coburg Leute geben, die es in kürzester Zeit zweimal hintereinander gelesen haben.
„Mamas rosa Schlüpfer“ fesselt durch seine kraftvolle Sprache und ist irgendwie erfrischend anders. Den zugegebenermaßen absonderlichen Romantitel wollte J. Kortner sich weder von seinem Lektorat, noch vom Marketingexperten seines Buchverlags ausreden lassen. Es handelt sich dabei um die knielange, heutzutage als „Liebestöter“ belächelte Damenunterwäsche seiner Mutter. Für ihn als damaliges Kind das Symbol von Mama und Weiblichkeit schlechthin.
Zum Inhalt:Dem fünfjährigen Muttersöhnchen erzählt der Vater auf Fronturlaub von aufgehängten Partisanen. Sein ältester Bruder sammelt Bombensplitter und Unterschriften von Ritterkreuzträgern. Doch dann sind sie plötzlich da – die Russen. Sie singen wunderschöne Lieder, beschenken ihn, rauben, vergewaltigen. Der Knirps sieht alles und versteht nichts.
Coburg ist das Traumziel, um der Umklammerung der Berlinblockade zu entkommen und die zerrissene Familie zusammenzuführen. Aber dafür braucht man einen Fluchthelfer...

P.S. Der Autor lebt im kleinen Ebermannstadt in der Fränkischen Schweiz.
COCOA vertraute er vier „Geheimnisse“ an, die COCOA natürlich brühwarm ausplaudert:
Dass er der Coburger Bratwurst regelrecht verfallen ist.
Dass einem die Coburger Staatsbürgerschaft nie aberkannt werden kann.
Dass die Stadt Coburg eine Magie hat.
Dass er zur Zeit an einem Roman arbeitet, in dem Coburg die Hauptrolle spielt.
Der Romantitel soll der Name einer Coburger Straße sein.

Artikel bei COCOA


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Autorenlesung - 12. Jahrgangsstufe

„Mamas rosa Schlüpfer“ von Joachim Kortner - eine Lesung im Rahmen des Geschichtsunterrichts der 12. Jahrgangsstufe

Wenn der griechische Geschichtsschreiber Thukydides die Ansicht vertritt, der Mensch bleibe in seinem Wesen stets gleich und könne daher aus der Geschichte lernen, so stellt er hiermit eine These auf, die auch heute noch eine wesentliche Zielsetzung des modernen Geschichtsunterrichts ist. Es stellt sich nur die Frage, wie dieser Lernprozess am besten in Gang zu setzen sei.
Allein die Vermittlung von Fakten ist mit Bestimmtheit der falsche Weg. Besser geeignet ist dagegen das Studium der Quellen, die einen direkten Zugang zu authentischen Erfahrungen der Zeitzeugen ermöglichen.
Eine besonders lohnende Begegnung mit Geschichte im Gewand der Kunst ermöglichte der in Ebermannstadt lebende Autor Joachim Kortner der 12. Jahrgangsstufe des Gymnasiums Fränkische Schweiz, als er aus seinem autobiographischen Roman „Mamas rosa Schlüpfer“ vorlas.
Detaillierten Recherchen folgend, erzählt der Autor wahre Begebenheiten packend und anschaulich, so dass der Zuhörer sich des Gefühls der unmittelbaren Betroffenheit nicht erwehren kann und die Zeit des Zweiten Weltkriegs bis zu Flucht und Vertreibung aus der Perspektive eines damals fünfjährigen Jungen hautnah miterlebt.
Über eine Stunde lauschte die Zuhörerschaft in absoluter Stille konzentriert den differenziert vorgelesenen Passagen aus dem Roman, um im Anschluss Fragen an den Autor - sowohl zu seinen eigenen Erlebnissen als auch zu seiner schriftstellerischen Arbeit - zu richten, die dieser bereitwillig beantwortete.
Zweifelsohne ist es ein Glücksfall für den Geschichtsunterricht, die Begegnung mit einem Zeitzeugen zu erleben, der zugleich als Schriftsteller eine anspruchsvolle künstlerische Gestaltung dieses historischen Stoffes zu leisten vermag. Betroffenheit zu erzeugen, ist Joachim Kortner bei seiner Lesung durchaus gelungen, womit er einen wichtigen Beitrag zu dem Ziel, aus Geschichte zu lernen, geleistet hat.

Steffi Nickolai

Artikel bei gfs-ebs


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Leseproben












DAS LOTTCHEN

Der Menschenhaufen im Pastorhaus war durch Krieg und Zufall zusammengewürfelt worden. Von Hedwig, der Frau des Sparkassenangestellten, mit ihrem Jungenquartett über einen elegant gekleideten Professor mit seiner niemals jammernden, feingliedrigen Gattin und der taubstummen Tochter bis hin zur Ehefrau des SS-Sturmbannführers mit ihrer ekelhaft verwöhnten Lotte. Dieses Mädchen mit den täglich neu eingedrehten Schillerlocken war bei allen verachtet und verhaßt. Als freche Herausforderung wirkte es, wenn sie vor erschöpften und hohlwangigen Kindern ihr affiges Theater aufführte.

«Lottchen, willst du ein Eichen?»
«Nein.»
«Oder ein Zuckerstullchen?»
«Nein.»
«Na, was willst du denn?»
«Ich will Schokolade.»

Bald wurde diese Szene von Flüchtlingskindern bissig nachgeäfft.


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DIE FRAUEN UND IHRE ANGST

Dieser Frühling war mit seiner weichen Luft, dem wolkenlosen Himmel und einer alles durchdringenden Kraft der Sonne für alle ein Trostpflaster. Die Kinder saugten barfuß die fast sommerliche Wärme aus dem Feldsteinpflaster der Dorfstraße. Flüchtlingskinder erklärten Bauernkindern die Regeln von Stadtspielen. Erste Namen wurden ausgetauscht. Die winzige Volksschule geschlossen. Bauernkinder ließen Flüchtlingskinder von ihrer Butterstulle abbeißen.

Im Pastorhaus aber saßen die Erwachsenen und unterhielten sich darüber, wozu «der Russe» fähig war. Das Gehörte und Befürchtete verklebte zu einem grauenhaften Schreckbild. Für manche von ihnen sollte es Wirklichkeit werden. Frauen und Mädchen waren fast irre vor Angst, vergewaltigt zu werden. Die älteren Männer wußten, daß sie im Ernstfall hilflos sein würden.

«Du mußt dir Dreck ins Gesicht schmieren.»
«Ein Kopf tuch macht alt.»
«Schrei einfach Syphilis! Das verstehen die auch.»
«Bindet bloß eure Brüste mit einem Tuch flach.»
«Ich versteck mich im Stroh.»
«Oben auf der Dreschmaschine isses am sichersten.»
«Ich schütz mich mit meinen vier Jungs.»
«Ich sag: Hitler kaputt. Karascho. Das heißt: gut.»

So versuchten sie, sich gegenseitig Mut zu machen. In Wirklichkeit wußte jede der Verängstigten, daß sie allein sein würde, wenn sie einem Soldaten in die Hände fallen sollte, der von dem heißen Wunsch nach Vergeltung, Erniedrigung oder von bloßer Gier getrieben war.


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SANDBLATT

Eine Hälfte seines Gartens hatte der alte Lettau mit Tabak bepflanzt. Der sandig-lehmige Boden war dafür wie geschaffen. Die heiß begehrten Blätter wuchsen mit ihren zartrosa Blüten in schnurgerade gezogenen Reihen zu strammen Stauden heran. Roland, dem frühen Raucher, kam der Anbau in greifbarer Nähe sehr gelegen. Es fiel nicht auf, daß er sich seinen eigenen Bedarf an feinem Virginia aus Lettaus Plantage zusammenklaute.

«Das unterste Blatt, das liegt im Sand. Das heißt Sandblatt. Das ist das Beste vom Besten. Aber davon versteht ihr ja sowieso nix.»

Tagelang weichte er gedörrte Pflaumen ein, nahm die braune Pflaumenbrühe in den Mund und beprustete damit sein goldgelbes Diebesgut. Dann stapelte er sorgfältig Blatt auf Blatt und preßte sich einen dicken, gewichtigen Tabakkuchen zusammen. Der mußte nun auf dem Küchenschrank ziehen. Nach mehreren Tagen war dann alles reif.

«Fermentieren, das ist eine Wissenschaft für sich.»

Jetzt konnte er den Tabakkuchen mit scharfer Klinge schneiden, den Tabakkrüll genießerisch abriechen und sich einen Vorrat von Selbstgedrehten anlegen.

«Der Machorka, den die Russkis qualmen, da fallen ja die Fliegen tot von der Wand!»

Mit einem älteren Russen hatte er einmal Tabak getauscht. Der hatte davon einen tiefen Zug gemacht und Karascho gesagt.

«Das ist Virginiatabak, das ist Amerika!», plusterte er sich vor dem gegerbten Frontkämpfer auf.
«Das nix Amerika, das Drannsdorr!»

Der Soldat lachte breit.

Es konnte eigentlich nur eine Frage der Zeit sein, bis Mill und Jank selbst nach Virginia reisten. Natürlich entschieden sie sich für die allerhöchste Qualität Sandblatt. Für tagelange Fermentierungsprozesse fehlten ihnen sowohl Geduld als auch günstige Gelegenheiten. Jeder rollte ein ganzes Bündel sonnengereifter Tabakblätter in ein Zeitungsblatt «Völkischer Beobachter» und zündete sich seine Rolle an. Diese Virginiazigaretten glimmten nicht, sie brannten. Nur beim Ziehen sanken die Flammen kurz in sich zusammen. Jank wurde als Erstem schlecht und schwindelig. Kalter Schweiß zeigte sich schon nach dem zweiten Zug auf Mills Stirn. Sofort hatten beide das dringende Bedürfnis, in die Hocke zu gehen. Sie trugen nur ihre Sommerunterhosen, unten glockig offen. Gewischt wurde mit Blättern von wildem Rhabarber aus dem nahen Straßengraben, nachgewaschen unter dem Pumpenstrahl im Garten. So hundeelend hatten sie sich das letzte Mal nach dem Blaubeerwein in der Sedanstraße gefühlt.

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Mamas rosa Schlüpfer
Roman in Episoden
Autor: Joachim Kortner
Verlag: BoD/Norderstedt
ISBN: 3833453818
PB 276 S.
17.80 Euro

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Joachim Kortners Musik



Blues - Video

Blues


Joachim Kortners "Blues".
Wie ein Videoclip entsteht
Coburg, 13.06.2007
Text und Photos von Michael Pilipp info@cocoa.de

Zu einem guten Song gehört heute einfach auch ein passender Videoclip. Am Beispiel des Songs "Blues" des Autors Joachim Kortner ("Mamas rosa Schlüpfer") zeigen wir, wie aufwendig allein die Anpassung und Bearbeitung der Farben ist.

Bei unserem letzten Besuch des Autoren Joachim Kortner ( "Mamas rosa Schlüpfer" ) spielte das Multitalent spontan ein wenig Blues für Conny und mich. Beide waren wir absolut überrascht von der unglaublich fantastischen Stimme und dem besonderen Rhythmus, den Joachim Kortner auf seiner Gitarre anschlug. Mein erster Gedanke: das muss man auch anderen Menschen zugänglich machen! Warum keine eigene CD produzieren. Technisch ist das ja heute kein Problem mehr. Aber zu einem Hit gehört heutzutage ja unbedingt auch ein entsprechender Videoclip. Denn wir leben immer nach der Devise "Wenn schon denn schon!" Joachim Kortner war sofort einverstanden und so wurde ein neuer Termin vereinbart.

Der ganze Artikel unter...
Wie ein Videoclip entsteht

Lesungen/Termine























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15. März 2007
Kulturkreis Ebermannstadt (Resengörgsaal)
19.30 Uhr
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07. Juli 2007
Drahnsdorf / Niederlausitz
(Hauptort der Romanhandlung!)
Ort: Dorfwirtschaft
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Leipziger Buchmesse
(Lesedatum steht noch aus)
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